Shino Me
Unmasked myself

Shino - Ich bin ich... doch wer bin ich genau?
Wie findet man sich selbst, wenn einem lange gesagt wurde, wie man zu sein hat?
Ich habe mich selbst sehr lange darüber definiert, wie gut ich mich anpassen und masken kann. Je härter ich gegen mich selbst war, je besser "funktionierte" ich. Ein solches Verhalten wird oft als "High-functioning" gelabelt. Doch was oft ein Lob sein soll, ist in Wirklichkeit eine Aufforderung zur Selbstbeschädigung. Denn für das nach außen funktionieren, zahlt man einen hohen Preis.
Der Einsatz für dieses Funktionieren ist die eigene Gesundheit und ein glückliches Leben. Man zahlt in der Währung "Liebe zu sich selbst", was einem lange nicht bewusst ist. Denn von Kindes Beinen an wird einem Vermittelt, dass das wichtigste ist. die Breite des eigenen Seins unsichtbar werden zu lassen.
Auf dem Weg, sich neurotypisch zu geben, verliert man sich Tag für Tag ein Stückchen von sich selbst. Bis man nicht mehr weiß, was in einem ruht. Welche Fähigkeiten man hat. Wie gut es sich anfühlt, den eigenen Körper zu fühlen. so viel Kraft geht in der Anpassung verloren..
Ich selbst war fast stolz darauf, mich anzupassen, denn so hatte ich es gelernt, Sas sich selbst Verdecken ist eine Aufgabe, die einem als Kind in dieser Gesellschaft übertragen wird und irgendwann nicht mehr hinterfragt. Das "schneller, höher, weiter" im autistischen Wettkampf des Lebens besteht darin, sich immer und immer wieder gegen Reize zu stemmen, die andere nicht einmal sehen.
Man lernt Fragen nach Logik nicht mehr zu stellen, Nimmt Inkonsistenzen, die einen in der Seele schmerzen. Man hört sogar auf, nach wichtigen Details zu fragen, denn man hat erkannt, dass andere diese Details nicht wollen, sogar von ihnen überfordert sind. Man dürstet nach Logik, nach Verstehen, danach aus den eigenen Gedanken eine Struktur zu erstellen. Sinnvolles zu erdenken und zusammenzuführen.
Ich war mein Leben lang so damit beschäftig, Dinge auszuhalten die nicht auszuhalten sind, dass ich vergaß ich, wie viel Kraft ich für dieses Tun einsetzte. Die unbändige Energie meiner Kindheit setze ich ein, mich zu verdecken, schweigen zu lernen, statt freudig nachzufragen. Sei so, viele alle....
Wie oft hatte ich abends das Gefühl, dass meine Gesichtsmuskeln schmerzten, weil ich Mimik anstoßen musste. Wie viel Zeit ich damit verbrachte, neuronormatives Verhalten zu trainieren - statt mich selbst zu leben. Ich kann heute auf den Punkt eine Gestik in mir anstoßen, so dass jeder glaubt, diese wäre "natürlich in mir entstanden". Dabei ist das das Ergebnis jahrelangen Trainings.
Und dann kam die Müdigkeit. Es war, als ob sich ein Teil meiner Persönlichkeit von mir entfernt hatte. Und genau dieser Teil war der Quell meiner Energie gewesen. Ich hatte brav high-functioning einen Teil meines Seins an den Rand meines Bewusstseins gedrängt. Je mehr ich mich von mir entfernte, je energieloser wurde ich. Ich hatte meinen autistisches Fundament ins Wanken gebracht. Nur, wenn das Fundament beschädigt ist, was geschieht dann mit dem Haus, der Persönlichkeit, die man auf dieses Fundament gesetzt hatte?
Bedürfnisse erkennen oder das Ende der Müdigkeit
Ich musste meine Bedürfnisse begreifen und in der Tiefe und Breite wertzuschätzen lernen. Selbstfürsorge - für jemanden, der sich jahrelang darüber definiert hatte, sich selbst Dinge zu verwehren. Je mehr Selbstkontrolle, desto besser. Und nun selbstfürsorglich auf den eigenen Körper hören?
Was macht man, wenn der eigene Körper keine Lust mehr hat, mit einem zu sprechen? Wenn er einem die Freundschaft kündigt, weil man selbst nie freundlich zum ihm war?
Glücklicherweise war mir in in der Tiefe meines Herzens eine kleine Pflanze "Liebe zu mir selbst" verblieben. Während drum herum eine Wüste aus Erschöpfung und Müdigkeit entstanden war, wuchs diese kleine Pflanze unbeirrt vor sich hin. Egal welche Stürme sie Erlebte, sie wollte wachsen.
Also nochmal neu starten
Ich versuchte, mich neu kennenzulernen. Was macht mir Freude? Was nicht? Dann wurde klar, dass es Zeit wird, viel tiefer in meine Seele vorzudringen. Mich zu finden. Dich um sich zu finden, muss man sich selbst gegen über offen werden.
Sie selbst demaskieren.
Nicht wegen der anderen, sondern für sich selbst. Zum ersten mal seit vielen Jahren fragte ich mich, was brauche ich? Was spüre ich. Was liegt unter all den Lagen "stell dich nicht so an", "das macht man so", "das geht doch nicht", "das machen alle so"? Wer bin ich wirklich in der Tiefe meines Herzens? Und dann fand ich diese kleine Pflanze der Selbstliebe und spürte ihre Wärme.
Lange hatte ich eine Diagnose für mich abgelehnt. Nicht, weil ich mich für nicht autistisch hielt, sondern weil ich dachte, ich brauche kein Label. Ich erinnere mich, wie ich einen Bericht über AutistInnen las und diese erklärten, dass sie sich gesund leben wollen. Deshalb vorsichtig mit Reizen seien. Auf der Arbeit keine Krach, kein grelles Licht wollten.
Und ich dachte, das tut mir auch nicht gut, aber ich halte das aus... Ich saß da, schüttelte den Kopf, weil man doch aushalten könnte, wenn man wolle. Alles eine Kopfsache... Oder nicht? Je mehr ich auf mich hörte, je bewusster wurde mir, wie ungesund mein jahrelanges Ringen mir war.
Mir wurde kalr: so will ich das nciht mehr. Warum soll ich Sachen aushalten, die mir nicht gut tun? Warum sollte ich meine Freude am Lernen verdecken, weil andere erklärten, es sei komisch, dass ich so viele Fragen hätte und nach Antworten suchte.
Lernen, Leben, Erleben
Gleichzeitig fühlte ich mich seltsamerweise wohler in mir. Die Müdigkeit wich dem Wunsch nach Neuem. Es war, als ob ich langsam aus einem tiefen Schlaf erwacht. Ich schaute mich um und begriff, ich will mehr vom Leben. Ich will mein Leben und nicht das, was andere mir zugedacht hatten.
Während ich auf meinem WEg zu mir war, wurde mir klar, dass ich nicht mehr in mein altes Leben passte. Meine Bereitschaft, mich offener zu leben, brachte einen großen Impact auf mein Leben mit sich : Ich würde meinen Beruf nach 15 Jahre aufgeben und mich auf einen beruflichen Neustart fokussieren müssen.
Da katapultierte mich etwas aus diesem alten Leben, welches nie richtig zu mir gepasst hatte - und das war ich selbst! Und es fühlte sich verdammt nach dem richtigen Weg an.
"Sich neu (er)finden" (RW)
Ich wollte sorgsam mit mir sein und deshalb gab es eine harte Exit-Lösung: ich musste mich nicht nur als Menschen, sondern auch als arbeitender Autist neu "finden". Dabei kam ich mir immer näher.
Heute weiß ich: Mein Bedürfnis, zu leben, zu lernen und neue Erfahrungen zu sammeln, ist so stark, weil es tief in mir verwurzelte Eigenschaften sind. jeden Tag möchte ich etwas dazulernen. Doch geht das nur, wenn ich sorgsam zu mir bin.
Ich lebe in einer Welt, die nicht für mich gemacht ist. In der meine Fähigkeiten weder anerkannt noch gewünscht sind. In der Menschen meine, von mir verlangen zu dürfen, dass ich ihr Leben lebe.
Doch ich bin ich. Ich wertschätze meinen Körper, mein neurologisches Settung und ich will, dass dieses Fundament meiner Persönlichkeit stabil steht. Dann auf mein autistisches Fundament habe ich mein Haus, meine Persönlichkeit gesetzt.
Heute passt deines zusammen. Mein Fundament gibt vor, wie gesundes Leben für mich aussehen kann und ich habe sorgsam und liebevoll nach diesem Plan mein Haus gebaut. Ich wert schätze meine Fähigkeiten, egal, ob man sie in unserer GEsellschaft anereknnt oder nicht. Ich sorge für meinen Körper und meine Seele, auch, wenn man von mir verlangt, dass ich mich verdecke.
Mein Körper und meine Seele bilden eine Einheit. Und ich wünsche mir, dass auch andere autistische Menschen diese Möglichkeit haben. Dass sie für sich ein Leben führen können, dass zu ihnen passt. Das niemand ihnen erzählt, sie müssten Dinge aushalten, die ihnen nicht gut tut.
Ich möchte, dass der Gedanke der Neurodiversität, des wertschätzenden Miteinanders aller neurologischer Setting endlich zum Leben erweckt wird.
Wir brauchen ein Miteinander des gegenseitigen Respektes und der Wertschätzung. Es erscheint mir sehr wichtig, dass wir neurodivergente und neuronormative Menschen einander besser kennen lernen. Die Bedürfnisse, Fähigkeiten der anderen wertschätzen und uns gemeinsam auf die Reise machen, diese Welt jeden Tag ein Stück leichter, besser zu machen.
Kein Hochglanz-Diversity-Gerede, sondern echte Bereitschaft aufeinander zuzugehen. Ein solches Ziel ist nicht alleine zu erreichen und ich bin dankbar in den letzten Jahren immer mehr Menschen kennengelernt zu haben, die das gleiche Ziel haben: einMitteinander, in dem wir uns entsprechend unseren neurologischen Settings gut leben können.
"Unmask yourself"
Man hat dir tausendmal gesagt, wer du sein sollst. Jetzt ist es an der Zeit, dich auf deinen eigenen Weg zu machen.
Beim Demaskieren geht es nicht um das Außenverhältnis, sondern um dich:
Wer bist du? Was sind deine Möglichkeiten & Bedürfnisse?